Dieses Wochenende war Basis-Anwendungsseminar. Das bedeutet, wir haben die sogenannten ‹Levels› durchgearbeitet – zumindest teilweise. Als Levels bezeichnen wir Grundkonzepte, deren Umsetzung mit steigendem Level immer freier werden.
Grundidee
Die verschiedenen Levels beinhalten Anwendungen und Konzepte, welche in der Schule meines Sifus für zentral und wichtig erachtet werden. Während die niedrigen Levels sehr klare Bezeichnungen haben (‹Nicht umgeworfen werden› oder ‹Block und Schlag›), wird es nach oben hin freier und offener. Die klaren Techniken wandeln sich zu Konzepten, zum Beispiel ‹Im Uhrzeigersinn / Gegen den Uhrzeigersinn›.
Die Relevanz
In den vergangenen Jahren habe ich viele Anwendungen gelernt und geübt. Ganz besonders für die anstehende Prüfung für den ersten Dan habe ich sie ausführlich gedrillt. Der Fokus in der Ausbildung liegt jedoch mit gutem Grund nicht einfach auf den vielen Einzelelementen, sondern auf Konzepten. Hung Gar Kung Fu ist, als Vergleich, kein Lösungsbuch für Rechnungsaufgaben, sondern die dazugehörige Formelsammlung, welche en Schüler befähigt, die Lösungen selbst zu erarbeiten. Entsprechend liegt der Fokus der Ausbildung auf Prinzipien, welche die Basis für eigene Überlegungen bieten.
Für das Ausbildungsprogramm seiner Schüler (und inzwischen aus seiner Gross-Schüler) hat Sifu Martin Sewer jene Konzepte und Ideen strukturiert. Diese Aufstellung macht ein wenig messbarer, welchen Themen ein Schüler bereits begegnet ist und welchen nicht. Wenig erstaunlich folgen sie der direkten Relevanz, was sich besonders in den ersten vier Leveln zeigt.
Level 1: Nicht umgeworfen werden
Als Hung Gar Kämpfer stehen wir am Liebsten auf unseren Füssen. Zwar verfügt das System über ein kleines Repertoire an Bodentechniken, doch liegt der Fokus anders. (Kein Wunder, bedenkt man, dass wir von einer Kriegskunst sprechen.) Aus diesem Grund lernt ein Schüler zuerst, wie gegen den Versuch, ihn umzuwerfen, vorgegangen wird.
Level 2: Block und Schlag
Davon ausgehend, dass die häufigsten Angriffe Fausthiebe sind, werden Schüler darin unterrichtet, sich zu schützen und (damit die Situation aufgelöst werden kann) zurückzuschlagen. Die Techniken dieses Levels sind brachial und wenig elegant.
Level 3 und 4: Einfache und komplexe Handbefreiungen
Ebenfalls als gefährlich wird die Situation eingeschätzt, am Handgelenk gegriffen und gezogen zu werden. Einfache (einhändige) und komplexe (beidhändige) Handbefreiungen stellen darum den dritten und vierten Level dar. Die Techniken sind so gewählt, dass sie auch mit einem sehr deutlichen Gefälle an Körperkraft durchgeführt werden können.
Eigene Erfahrungen
Obwohl ich oft und viel Level eins bis vier geübt habe, hat es gedauert, bis es einigermassen funktioniert hat. Bei diesem Seminar konnte ich zum ersten Mal die Levels sechs bis zehn üben und durfte für mich feststellen, dass Bewegungen, welche mich vor einem Jahr noch aus dem Konzept gebracht hätten, leichter und eingängiger geworden sind. Es fällt mir deutlich leichter, zu sehen und zu verstehen, was passiert, Richtungen und Winkel zu erkennen und meinen Instruktor nachzuahmen. Das ist ein schönes Gefühl und zeigt mir deutlich, dass das viele Anwendungen-Üben des letzten Jahres sich gelohnt hat. Zudem mache ich die Erfahrung, dass ich mehr und mehr in der Lage bin, gelernte Einzelanwendungen in den Konzepten unterzubringen und daraus wiederum mehr Verständnis für das Konzept aufzubringen. So entsteht für mich persönlich eine positive Lern-Spirale.