Erfahrungen, Interviews

«Und das alles wegen Büro-Asyl.»

Kurzinfo

Name: Wiedmer Alexandra
Jahrgang: 1981
Mit Kung Fu angefangen am 28.05.2018
Stil / Schule: Kung Fu Schule Sewer, Bern

Interview

Beschäftigt dich Kung Fu ausserhalb der Lektionen / Seminare? Wenn ja, wie äussert sich das? 

Ja, das mache ich. Kung Fu ist nicht nur Kampf und Sport. Es ist auch eine Auseinandersetzung mit dem Geist und der Gesundheit, jedenfalls für mich. Ausserhalb des Unterrichts übe ich ab und zu Formen draussen, oder beschäftige ich mit anderem Training für den Kampf. Sowie setze ich mich mit meiner Gesundheit und meinem Geist auseinander.

Wie motivierst du dich, wenn es mal hart wird?  

Aufgeben ist keine Option, das ist meine Motivation. Ok, es gibt Situation wo ich Forfait geben muss, damit ich seelisch oder körperlich keinen Schaden nehme.

Hast du eine bestimmte Lernstrategie, die du anwendest? Welche? 

Ich repetiere den Unterricht auf dem Nachhauseweg oder unter der Dusche und versuche das Gelernte im nächsten Unterricht zu vertiefen. (Vorsicht, unter der Dusche sollte man nicht jede Bewegung repetieren… 😊)

Was denkst du zu der Familienstruktur und den damit verbundenen Beziehungen zu Leuten, die du nicht kennst?  

Ich war am Anfrage ganz erschrocken, wie lieb alle sind, und mich aufnehmen und akzeptieren, wie ich bin. Ich kannte so eine Familienstruktur nicht. Jetzt bin ich Teil dieser Familie, habe neue Schwestern und Brüder, sowie neue Freunde.

Warum machst du Kung Fu?  

Sihing Roli hatte bei meinen Arbeitskollegen Asyl bekommen, als die Büros im Haus renoviert worden sind. Da sind wir mal ins Gespräch gekommen. Ich habe ihm mal erzählt, das ich am Spartakus Run im Sand/Schönbühl teilnehmen will, aber alleine hätte ich kein Bock. Sihing Roli meinte kurz danach, das wir mit seinen Schülern Mannschaften bilden und an den Run teilnehmen könnten. Ich wusste mittlerweile, das Sihing Roli Kung Fu macht, aber na ja, Sport halt.

Ich ging vor den grossen Rennen in eine Probelektion, um meine Mannschaftskameraden kennenzulernen. Nach der Probelektion haben vor allem meine Bürokollegen gelitten, so ein Muskelkater hatte ich.

Nach dem Run haben mich die Mannschaftskollegen so verabschiedet, als ob wir uns beim nächsten Training wieder sehen. Meine Antwort: Sicher nicht!

Es war Montag und ich lag nach der Arbeit wie üblich auf dem Sofa. Na ja, ich ging zum Unterricht und sagte vor dem Beginn, dass ich unterschreiben werde für ein halbes Jahr. Gesagt, getan.😊 Und das alles wegen Büro-Asyl.

Was in Bezug auf Kung Fu hat dich bisher am meisten beeindruckt?  

Die Familie, den Zusammenhalt, die Freude wenn sich jemand für dich freut, obwohl es z.B ein Gegner war.

Gibt es Dinge, zu denen du dich jeweils überwinden musst in Bezug auf deine Kung Fu Ausbildung? Wenn ja, was sind das für Dinge? 

Ich muss mir regelmässig eingestehen, das ich als ehemaliger Bewegungsmuffel einfach Zeit brauche für meine Ausbildung.

Bist du kritisch gegenüber dem, was dir beigebracht wird und gegenüber den gelebten Traditionen? Stellst du Fragen, wenn du etwas nicht verstehst / nicht einverstanden bist? Nimmst du es einfach, wie es ist?  

Wenn ich etwas nicht verstehe, frage ich nach. Wenn ich mit etwas nicht einverstanden bin, dann darf ich das sein. Und darf das auch sagen.

Was geht dir durch den Kopf, wenn dein Lehrer dir zum hundertsten Mal ‘Nein’ als Feedback gibt, wenn du dich abmühst, etwas richtig zu machen?  

Mein Sihing hat mir noch nie «nein» gesagt.  Er sagt es eher mir, das es kein «nein» gibt. Wenn ich es wirklich nicht verstehe, dann repetieren wir das ein anderes Mal. Bis es geht. Mein Sihing hat wesentlich mehr Geduld mit mir als ich selber.

Wenn du dir Kämpfer anschaust, die von Kindesbeinen an eine bestimmte Sache ausüben und eine hohe Kunstfertigkeit erreicht haben: Was löst das bei dir aus? 

Ich habe Bewunderung für die Kunstfähigkeit, stelle mir aber gleichzeitig die Frage, ob diese Menschen auch eine Kindheit hatten.

Bedeutet Kung Fu auszuüben, gewaltbereit sein zu müssen? Warum ja/nein?

Nein, Gewalt ist keine Lösung. Kung Fu lehrt auch, Gewalt zu vermeiden. Der Kampf ist das letzte Mittel, das ich einsetzte, wenn mich jemand körperlich angreift.

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