«Muss man Prüfungen machen?», war wohl eine meiner ersten Fragen, die ich meinem Instruktor gestellt habe. Ja, muss man. Schade, fand ich und finde ich eigentlich immer noch. Nicht um der Prüfungen willen, die eine willkommene Gelegenheit sind, sehr klares Feedback für die eigenen Leistungen einzuholen, sondern wegen der mit den durch die Graduierung entstehenden Distanzen.
Graduierung im Hung Gar Kung Fu
Lange Zeit gab es im Hung Gar Kung Fu kein buntes Graduierungssystem, wie man es für alt und traditionell hält. Es wurde erst von Grossmeister Martin Sewer eingeführt. Das Prinzip wurde nicht zuletzt für den Westler übernommen, der offenbar ein starkes Bedürfnis danach hat, sich irgendwo in eine Skala zu stellen um zu wissen, wie gut er oder sie ist. Auf einer objektiven Ebene kann ich das nachvollziehen, aber für mich persönlich sehe ich keinen Wert in diesem System. Die Fähigkeiten der unterschiedlichen Schüler in der selben Graduierung sind manchmal sehr, sehr unterschiedlich, so dass es mir selbst zur Orientierung nicht wirklich funktional erscheint.
Seit ich Hung Gar lerne, habe ich den Eindruck gehabt, gemessen an meinen Fähigkeiten unterrichtet worden zu sein. In dem, was ich frage und beobachte, kümmere ich mich auch nicht um die Schärpe um meine Hüfte.
farbunabhängige Strategie
Meine eigene Lernstrategie steht auf drei Beinen, unabhängig der Farbe.
Bein 1: Nach Anweisung üben. Vorn in der Klasse steht ein Instruktor, der das alles besser kann als ich. Er oder Sie unterrichtet mich und ich bekomme bei den Übungen Feedback. Was noch nicht so klappt, versuche ich, besser zu machen. Dabei benenne ich für mich selbst ‹Montagskorrekturen›, an denen ich dann eine Woche lang in jeder Lektion arbeite.
Bein 2: Beobachten und üben. Früher habe ich gesagt, ich habe Weissgurt-Privilegien. Rund um mich herum sind Schüler, die mehr wissen als ich. Ich beobachte sie und höre zu, wenn sie korrigiert werden. Manche Dinge verstehe ich, manche nicht, aber so oder so erweitert sich mein Horizont an Ideen.
Bein 3: Nachdenken und üben. Bevor ich frage, denke ich nach und probiere aus. Was könnte die Lösung sein? Was tut man da genau? Wie ist das Prinzip? Beim Nachfragen liege ich dann damit mal falsch, mal richtig, aber beides bringt mich voran.
Nur die Graduierungen, die brauche ich für meinen Fortschritt bisher nicht. Sie stören mich nicht, sie behindern mich nicht, aber einen Vorteil für meine Ausbildung (mit meinem Mindset, für meine Person) habe ich bisher noch keinen gefunden.