Interviews

«Die Freude kommt beim Machen.»

Beim Turnier in Brüssel habe ich Eva Borghans aus Deutschland kennengelernt. Wir haben einen leichten und guten Draht zueinander gefunden und gegenseitig mit grossem Interesse unsere Formenläufe beobachtet. Eva ist die erste Interviewteilnehmerin, welche nicht Hung Gar praktiziert; Ich hoffe aber, es werden mehr.

Kurzinfo

Name: Eva Borghans
Jahrgang: 1973
Mit Kung Fu angefangen: Nov. 2018
Stil / Schule: Long Men Wu Xue (Drachentor) und Wu Pai Taiji
Sifu: Kai Jansen

Interview

Beschäftigt dich Kung Fu ausserhalb der Lektionen / Seminare? Wenn ja, wie äussert sich das?

Ich versuche mehrmals in der Woche das Erlernte nochmal für mich alleine zu wiederholen, um die Bewegungsabläufe zu festigen. Auch versuche ich täglich ein wenig zu dehnen und baue kleine Gleichgewichtsübungen in meinen Alltag ein.

Wie motivierst du dich, wenn es mal hart wird?

Einfach zum Training gehen, auch wenn ich mal keine Lust habe (das kommt allerdings selten vor). Die Freude kommt beim Machen und ich fühle mich hinterher immer besser als vorher.

Hast du eine bestimmte Lernstrategie, die du anwendest? Welche?

Ich baue mir für die Reihenfolge oder auch für die chinesischen Begriffe kleine Eselsbrücken, meistens auch mit Bildern. Je kreativer desto besser kann man sich bestimmt Dinge merken. Zum Beispiel für die Stellung 虚步 – Xubu – (Die leere Stellung) ausgeprochen: „Schüh bu“, denke ich an Schütten, etwas ausschütten und das ist dann leer. Dann übe und wiederhole ich kleine Sequenzen oft und langsam.

Warum machst du Kung Fu?

Zu erst war ich nur auf der Suche nach einem Sport, den ich gut auch noch in meinem Alter (Mitte 40) ausüben kann. Es ging mir um meine Gesundheit und körperliche Fitness. Darum habe ich an einem Taiji-Seminar bei Sifu Kai Jansen teilgenommen. Obwohl mich diese erste Sequenz noch sehr überfordert hat, war ich sofort von dieser Sportart eingenommen. Mir gefallen beim Taiji auch sehr die meditativen Elemente, z.B. den Fluss der Energie spüren. Dabei habe ich gelernt, dass Kung Fu und Taiji nah beieinander liegen. Die Bewegungen haben den gleichen Ursprung und die Stellungen sind zum Teil die gleichen. Durch das Kung Fu Training hat man beim Taiji schneller Erfolg. Die Bewegungen werden nachvollziehbarer, warum mache ich was (Abwehr, Angriff usw.). Spaß habe ich an beidem. Das habe ich nicht erwartet. Aber ich habe da so viel Freude dran, dass ich mich so gut wie immer auf das Training freue. Es ist ein schöner Ausgleich für die Anforderungen des Alltags. Ich habe das Gefühl, meine Mitte zu finden, Stück für Stück.

Was in Bezug auf Kung Fu hat dich bisher am meisten beeindruckt?

Am meisten beeindruckt mich das gute Miteinander untereinander. Bei uns spielt es keine Rolle wie alt du bist, welche Herkunft du hast oder wie fortgeschritten du bist. Wir trainieren gemeinsam, helfen einander und begegnen uns mit Respekt und freuen uns über alle Fortschritte.

Gibt es Dinge, zu denen du dich jeweils überwinden musst in Bezug auf deine Kung Fu Ausbildung? Wenn ja, was sind das für Dinge?

Alles, wobei ich das Gefühl habe an meine körperlichen Grenzen zu stoßen. Dazu gehört unter anderem die Fallschule. Das fällt mir noch schwer und dabei habe ich mir auch (durch falsche Ausführung) schon weh getan. Aber hier gilt: Ausprobieren, versuchen, üben. Übungen aus dem Bereich der Selbstverteidigung fallen mir ebenfalls noch schwer und ich mache das auch nicht so gerne. Mir geht es bei dem Sport überhaupt nicht ums Kämpfen, da ich eher eine pazifistische Grundeinstellung haben.

Bist du kritisch gegenüber dem, was dir beigebracht wird und gegenüber den gelebten Traditionen? Stellst du Fragen, wenn du etwas nicht verstehst / nicht einverstanden bist? Nimmst du es einfach, wie es ist?

Da bin ich nicht so kritisch. Bisher ist mir da noch nichts begegnet, was gegen meine eigenen Überzeugungen spricht. Sollte das aber einmal der Fall sein, so würde ich dies auch äußern bzw. hinterfragen. Aber bisher fand ich die Traditionen schlüssig. Fragen stelle ich allerdings, wenn ich etwas nicht verstehe. Da ist unser Trainer aber sehr offen und versucht die Dinge gut zu erklären.

Was geht dir durch den Kopf, wenn dein Lehrer dir zum hundertsten Mal ‘Nein’ als Feedback gibt, wenn du dich abmühst, etwas richtig zu machen?

Das ist mir noch nicht passiert. Mit ist bewusst, dass ich nach gut einem Jahr Training noch sehr am Anfang eines langen Weges stehe. Ich freue mich über jede kleine Verbesserung und denke selber das ich von „gut“ und „fehlerfrei“ noch weit entfernt bin. Das ist mir aber auch nicht so wichtig. Hauptsache ist wird besser und noch wichtiger, ich habe Spaß an dem was ich mache.

Wenn du dir Kämpfer anschaust, die von Kindesbeinen an eine bestimmte Sache ausüben und eine hohe Kunstfertigkeit erreicht haben: Was löst das bei dir aus?

Bewunderung. Das schaue ich mir wirklich gerne an. Ich bin fasziniert und staune. Unser Sifu sagt häufiger, dass ein Leben nicht ausreicht um Kung Fu wirklich zu erlernen. Da bin ich fast versucht an die Wiedergeburt zu glauben.

Bedeutet Kung Fu auszuüben, gewaltbereit sein zu müssen? Warum ja/nein?

Auf gar keinen Fall. Ich bin überhaupt nicht gewaltbereit. Meiner Meinung nach hat das mit dem Respekt zu tun, den wir einander entgegenbringen. Den eigentlich Kampf führt man mit sich selbst.

Leave a Comment

Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahren Sie mehr darüber, wie Ihre Kommentardaten verarbeitet werden .